Eltern für gute Bildung, Elke Möller-Nehring, Erlangen
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Elternbrief

Wir wenden uns an Sie, weil wir über die Entwicklung der schulischen Bildung in Bayern besorgt sind. Viele von Ihnen werden in den vergangenen Jahren empfunden haben, dass im Bildungswesen etwas zunehmend nicht gut läuft. Wir müssen unsere Kinder immer mehr in den schulischen Belangen unterstützen, sehen die Schüler fragwürdigen Lehrmethoden ausgesetzt und merken, dass sie trotz gegenteiliger Aussagen von PISA-Rankings oder Kultusministerium immer weniger wissen und können. Schon seit Jahren geht die Schere zwischen guten und schlechten Schülern immer mehr auf. Mit dem LehrplanPLUS, der mit dem Schuljahr 2014/15 schrittweise eingeführt wird, werden weitere gravierende Veränder­ungen vorgenommen, durch die ein großer Teil der Schüler kein solides Wissen und kaum fundierte Allgemeinbildung erwirbt.

Wir wollen Sie mit diesem Schreiben informieren und Sie um Ihre Unterstützung bitten, da der LehrplanPLUS eine weitere Abkehr vom bisherigen humanistischen Bildungsbegriff hin zu einem ökonomisch ausgerichteten Lehrverständnis mit den entsprechenden Inhalten darstellt. Im Zentrum stehen dabei Unterrichtsmethoden, die im Namen von Individualisierung zur Auflösung des Klassenunterrichts führen, die Schüler vereinzeln und dadurch im Stich lassen.

Wir möchten hierzu eine breite öffentliche Diskussion anstoßen. Es handelt sich hier um grundlegende Veränderungen im Bildungswesen. Dies darf nicht hinter verschlossenen Türen erfolgen, sondern erfordert eine bürgerschaftliche Beteiligung.

Und wir wollen Sie als Lehrer unterstützen, weiterhin unsere Kinder anzuleiten, ihnen Wissen zu vermitteln, sie zu fördern und zu fordern und erzieherisch zu wirken — kurz: Padagoge zu sein. Denn auf Sie kommt es ganz zentral an, und wir wollen nicht, dass durch Lehrplanreformen aus Lehrern "Lernbeglei­ter" und "Coaches" werden.

Wir wollen keine weiteren Versuche an unseren Kindern durch Schulreformen, die eine Abkehr von der humanistischen Bildungstradition und dem personalen Menschenbild darstellen und die in anderen Ländern schon gescheitert sind.
Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schulen nach der Bayerischen Verfassung, Art. 131
  1. Die Schulen sollen nicht nur Wissen und Können vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden.
  2. Oberste Bildungsziele sind Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen, Selbstbeherrschung, Verantwortungsgefühl und Verantwortungsfreudigkeit, Hilfsbereitschaft und Aufgeschlossenheit für alles Wahre, Gute und Schöne.
  3. Die Schüler sind im Geiste der Demokratie, in der Liebe zur bayerischen Heimat und zum deutschen Volke und im Sinne der Völkerversöhnung zu erziehen.

Neuer Lehrplan seit Herbst 2014

Zwar beruft sich auch der LehrplanPLUS auf die Bayerische Verfassung. Er beinhaltet jedoch eine gravierende Änderung in der Auffassung von Schule und Lernen: "Selbstgesteuertes Lernen", "Kompetenzorientierung", "Konstruktivismus als neues Lernkonzept" und "der Lehrer als Coach" sind die Zauberworte, mit denen alles besser werden soll. Aber was bedeuten diese Schlagworte? Welche Konzepte stehen dahinter? Kommen diese wirklich den Kindern zugute? Und was sind die Folgen für die Gesellschaft?
Humanistische Bildungstradition
Wir wollen nicht noch weiter von unserer humanistischen Bildungstradition abweichen. Wir wollen nicht, dass unsere Kinder im Wesentlichen auf Tests wie PISA, VERA usw. konditioniert werden. Und es widerspricht zutiefst dem Volksschulgedanken, unserem demokratischen Verständnis und der Chancengleichheit, wenn wie in den USA die Mehrheit der Schüler auf einem erschreckend tiefen Niveau gehalten und eine kleine Elite in teuren Privatschulen herangezogen wird.
Bildung speist sich aus unserer christlichen, humanistischen und aufklärerischen Tradition. Nach Humboldt steht dabei im Zentrum die Persönlichkeitsbildung des Kindes mit der Entfaltung all seiner Kräfte. Daher ist nach diesem als humanistisch bezeichneten Bildungs- und Erziehungsverständnis der Kern des Lernens und der gesamten schulischen Entwicklung die Beziehung zwischen Schüler und Lehrer, welche von gegenseitigem Vertrauen, dem pädagogischen Sachverstand, der hohen Sachkompetenz und dem didaktischen Geschick der Lehrperson getragen ist.
So werden die Kinder befähigt, später als Erwachsene Verantwortung in der Familie, im Beruf und als Staatsbürger zu übernehmen. Warum sollen wir diese Grundlagen zugunsten qualitativ schlechter amerikanischer Ausbildungsprogramme aufgeben?

Kompetenzen und Konstruktivismus

Nach dem neuen Lehrplan sollen Kinder nur noch "Kompetenzen" erwerben (z.B. wurde im letzten PISA-Test die Kompetenz abgeprüft, Fahrkartenautomaten bedienen zu können). Kompetenzen sind jedoch etwas anderes als Bildung. Kompetenzen sind trainierbare und abprüfbare Fertigkeiten und können losgelöst von Inhalten und Werten erworben werden, die zwar als notwendig aber zweitrangig betrachtet werden. Es ist beispielsweise wichtiger, ein Thema gut zu präsentieren als das Thema wirklich durchdrungen zu haben. Der Kompetenz­begriff kommt aus der Wirtschaft und zielt auf die Fähigkeit zu funktionieren und darauf sich anzupassen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Veränderungen in den Lehrplänen aller deutschsprachigen Länder auf Initiative von Wirtschaftsorganisationen entstanden sind. Mit einer humanistischen Bildungstradition hat das nichts mehr zu tun. Bildung umfasst die ganze Persönlichkeit, verhilft zur Fähigkeit, sich auseinanderzusetzen, Zusammenhänge zu erkennen, selbst zu denken. Sie muss basieren auf solidem Wissen und klaren Werthaltungen.

Des Weiteren geht der Lehrplan "von einem konstruktivistischen Lernbegriff aus, demzufolge der Mensch Wissen konstruiert auf der Basis seines individuellen Vorwissens sowie seiner Wahrnehmung und der Bedeutung, welche das jeweilige Thema für ihn persönlich hat." (LehrplanPLUS, Bildungs- und Erziehungsauftrag der Grundschule; 2., S. 15). Dies bedeutet, dass jedes Kind sich seine subjektive Sicht der Welt, sein persönliches, für sich relevantes Wissen konstruieren soll. Der Erwerb von grundlegendem Wissen und soliden Fertigkeiten darf aber nicht persönlichen Vorlieben überlassen bleiben.

Eine weitere Folge dieser Auffassung ist, dass jeder Schüler vereinzelt lernt. Zunehmend wird der gemeinsame Unterricht in der Klasse aufgelöst. Jeder Schüler soll seinen eigenen Lernweg nehmen, der vom Lehrer "moderiert" wird.

Konstruktivismus bedeutet die Abschaffung der Pädagogik, die Abschaffung dessen, was sich die Menschheit errungen hat. Nämlich, dass Wissen und Kulturtechniken - und damit Kultur - von einem Wissenden, einem Lehrer, der hierfür sein Handwerkszeug gelernt hat, an einen Schüler, einen Noch-nicht-Wissenden, in einem Beziehungsgeschehen vermittelt werden können und müssen. Hierfür wurden die allgemeinbildenden Schulen gegründet.

Das, was mit Hilfe der Schule erst erlernt werden und Ergebnis von Bildung sein soll, wird hier von Grundschülern bereits ab der ersten Klasse erwartet: eine reife Persönlichkeit, die auf dem Hintergrund ihres Wissens und ihrer Erfahrungen einschätzen kann, was wichtig und was unwichtig ist, die sich dann selbst das Lernen organisieren kann.

Es gibt Wirklichkeit und objektives Wissen, was den Kindern auch so vermittelt werden muss. Das ist eine zentrale Aufgabe von Schule und das erwarten wir von Schule.

Organisatoren von Lernprozessen statt Pädagogen

Der Lehrer ist nicht mehr derjenige, der den Stoff gut aufbereitet und auf den Stand der Schüler und der Klasse bezogen beibringt; der die Kinder anleitet, fördert und fordert. Die Kinder sollen selbstgesteuert lernen: selbst Hypothesen bilden, überprüfen, verwerfen, selbst die Lösungswege finden, sich Wissen selbst erarbeiten. Abgesehen davon, wieviel Zeit mit unnötigem Ausprobieren, verzweifeltem "Nicht-Wissen", wie an die Aufgabe herangegangen werden soll, vertan wird: Wie viele Kinder sind in der Lage, so hochmotiviert, selbstdis­zipliniert und ausdauernd sich selbstgesteuert Wissen anzueignen? Die Schere wird immer weiter aufgehen. Konstruktivismus wird mehr entmutigte, an sich selbst zweifelnde Schulver­sager hervorbringen.

Prof. John Hattie zum Konzept des Konstruktivismus

Autor der sog. Hattie-Studie über erfolgreiches Lernen
"Konstruktivismus wird (…) verwendet im Sinne von schülerzentriertem, nachforschendem, problembasiertem und aufgabengestütztem Lernen, und die entsprechenden fachsprachlichen Termini heißen dann "authentisches", "entdeckendes" und "intrinsisch motoviertes Lernen". Die Rolle des konstruktivistischen Lehrers — so wird gefordert — soll mehr die eines Moderators sein, der Gelegenheiten für die individuellen Schüler bereitstellt, damit sie Wissen erwerben und Bedeutung konstruieren durch ihre eigenen Aktivitäten und durch Diskussion, Reflektion und Ideenaustausch mit anderen Schülern unter minimaler korrektiver Intervention (des Lehrers). (…). Diese Aussagen stehen alle in fast direktem Gegensatz zu dem Rezept für erfolgreiches Lehren und Lernen."
(Hattie: Visible Learning, S. 26, über setzt von Renate Caesar)
Dieses Rezept sieht nach den Ergebnissen der Metastudie Hatties folgendermaßen aus: Der Lehrer ist der wesentliche Faktor für gutes Lernen: Er muss "direktiv, einflussreich und fürsorglich sein und sich aktiv für das Lehren und Lernen engagieren. Die Qualität der Lehrer- Schüler-Beziehung, die Qualität der Anleitung sowie des Korrigierens und Rückmeldung-Gebens gehören zu den einflussreichsten Faktoren." "Die Ergebnisse zeigen, dass aktiver und von Lehrpersonen gelenkter Unterricht effektiver ist als ein Unterricht, bei dem die Lehrenden als Lernbegleiter und Lernunterstützer nur indirekt in das Geschehen eingreifen." (Hattie: Visible Learning)
Warum darf der Lehrer nur noch "Planer und Gestalter optimaler Bedingungen für Bildungsprozesse" sein, der "eigenaktives, individuelles und kooperatives Lernen nachhaltig ermöglicht"? (S. 16) Wo bleibt der Pädagoge, der mit Freude am Stoff und an den Kindern gut durchdacht und logisch aufgebaut Wissen vermittelt, der sie anleitet und ermutigt, so lange an der Sache bleibt, bis wirklich alle den Stoff verstanden haben; der Lehrer, der aus den Schülern eine Klassengemeinschaft bildet? Dies schließt nicht aus, dass Schüler in Stillarbeit, sinnvoller Partner- und Gruppenarbeit in ihrer je eigenen Geschwindigkeit das Gelernte anwenden, ausprobieren und gestalten können. Eine generelle Zurückweisung des Klassenunterrichts zugunsten individueller Lernweisen führt jedoch zu Vereinzelung und wird weder den Kindern noch der Aufgabe der Schule gerecht.
  1. Wir wollen eine Schule, in der unsere Kinder das lernen, was sie im Leben brauchen:
    • solide Grundlagen in Schreiben, Lesen, Rechnen, Sachwissen, handwerkliche Fähigkeiten
    • gemeinschaftliches und verantwortungsvolles Denken und Handeln, d.h. nicht nur die Verfolgung eigener Ziele.
  2. Wir wollen persönlich und fachlich engagierte Lehrer, die ihre pädagogische Aufgabe wahrnehmen keinen "Lernbegleiter" oder "Coach":
    • geführter Klassenunterricht statt Individualisierung, selbstgesteuertem Lernen, Wochenplänen, Arbeiten am PC
    • systematischer Aufbau des Unterrichts mit genauer Anleitung statt "Jeder soll seinen eigenen Weg finden"
    • viel Zeit zum Üben des Wesentlichen statt Zeitverschwendung mit unsinnigem Ausprobieren
    • für die Kinder selbstständig lösbare Hausaufgaben zur Festigung von erlernten Inhalten - keine Wochenplan-Hausaufgaben und weitergehende Transfers
    • Anleitung zu sorgfältiger Heftführung und sauberer Schrift
    • gründliche, möglichst tägliche Korrektur aller Schülerarbeiten, auch der Rechtschreibung
    • keine Pathologisierung unserer Kinder durch das Diagnostizieren von Teilleistungsstörungen und psychiatrischen Erkrankungen, wo eigentlich pädagogisches Handeln gefordert wäre.
  3. Wir wollen klare Jahrgangsziele und taugliche Lehrmittel:
    • Festlegung, was alle Kinder jedes Jahr verbindlich zu lernen haben (keine Abschaffung der Lernzielgleichheit)
    • systematisch und kleinschrittig aufgebaute Lehrmittel
    • dem Gemüt des Kindes entsprechende und werterhaltende Lehrmittel mit sinngebenden Inhalten.
  4. Wir wollen, dass der Erziehungsauftrag als eine Kernaufgabe des Lehrers bestehen bleibt:
    • Erziehung in der Grundschule ist ein personales Geschehen vom Lehrer zum Kind hin und geschieht in der Auseinandersetzung mit den Mitmenschen, den Lerngegenständen und sich selbst im Rahmen einer pädagogisch gestalteten Klassengemeinschaft.
    • Das konkrete Miteinanderleben und –arbeiten in der Schulkasse ist das Feld für Erziehung, das der Lehrer nicht aufgeben und an den Computer oder abzuarbeitende Arbeitsblätter delegieren darf.
  5. Wir wollen eine werteorientierte Schule:
    • Die Kinder sollen durch die Schule befähigt werden, später ihre Aufgaben in der Familie, im Beruf und in der Gesellschaft verantwortungsvoll wahrzunehmen.
    • Schule ist kein wertneutraler Ort. Die Lerninhalte haben sich an den Werten der Bayerischen Verfassung zu orientieren.
    • Die Schule soll nicht nur Wissen und Können vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden.
Im Klassenunterricht bietet sich dem Lehrer die einzigartige Gelegenheit, die positiven mitmenschlichen Einstellungen des Kindes zur Entfaltung zu bringen und es in seinem sozialen Verhalten anzuleiten und zu fördern. Wie seelenlos bleibt da der individualisierte Unterricht, der das Kind vor Arbeitsblätter setzt, mit Hilfe derer es selbstständig oder in Partnerarbeit den Stoff erarbeiten muss.

Ist es da verwunderlich, dass bei den geforderten "Selbstreflexionen" der Kinder am Ende einer Unterrichtseinheit z.B. herauskommt: "Gefallen hat mir: Mein Partner war nett. Nicht gefallen hat mir: Ich habe nicht verstanden, wie ich den Versuch machen soll." (Zitat einer Zweitklässlerin nach einer Einheit im Werkstattunterricht zum Thema "Wasser"). Ein Jammer, wenn der Schüler das als Resümee dessen erkennen muss, was er erlernen sollte. Abgesehen davon überfordert Selbstreflexion als Methode Kinder in diesem Alter.

Selbstgesteuertes Lernen statt eines geführten Klassenunterrichts, wie es der LehrplanPLUS vorsieht, führt dazu, dass Schwächere im Stich gelassen werden und sich Ungleichheiten zementieren. Das wollen wir nicht.

Für eine gute Bildung aller

Die Bayerische Verfassung setzt hohe Maßstäbe an den Bildungsauftrag der Schule. Diese gilt es zu bewahren. Bitte setzen Sie sich mit uns zusammen dafür ein, dass unsere Schulen und damit unsere Kinder nicht der Ökonomie überlassen werden. Es geht in der Schule um eine umfassende Bildung, damit unsere Kinder zu reifen Persönlichkeiten heranwachsen können.

Anhand der folgenden Bereiche sollen Probleme, wie sie bereits mit dem seit 2000 gültigen Lehrplan bestehen, aufgezeigt werden. Zugleich stellen wir bewährte Lehrmethoden vor:

Lehrer und Klassenunterricht

Der Lehrer ist von zentraler Bedeutung. Über die Beziehung zu seinen Schülern gestaltet er einen logisch strukturierten, alters- und entwicklungsgerechten und ansprechenden Unter­richt, in dem er die Schüler anleitet, fordert, fördert und sie erzieherisch begleitet.

Es ist die Aufgabe des Lehrers, dass möglichst alle Kinder am Ende des Schuljahres die gleichen Lernziele erreichen. Die Kinder haben das Recht auf eine kindgerechte Anleitung, und der Lehrer hat die Pflicht, die Kinder ihrer natürlichen Entwicklung entsprechend zu fördern und zu fordern. Gemeinsames Lernen im Klassenverband bietet eine gute Möglichkeit, Solidarität und Verbundenheit unter den Kindern zu fördern. Die Kinder können über die Arbeit am gleichen Stoff natürlich zusammen wachsen. Ihr Lehrer verbindet sie zu einer Klassen­gemein­schaft. Das Arbeiten an den gleichen Aufgaben zur gleichen Zeit schafft die Grundlage für eine ruhige Lernatmosphäre und führt die Kinder zu einem soliden Wissen. Dabei kann ein erfahrener Lehrer die Schwierigkeiten der Kinder erkennen, ihnen darüber hinweg helfen und sie ermutigen. Der Lehrer bindet die schnelleren Schüler dabei in das Klassengeschehen ein.

Die Tendenz zu einem generell individualisierenden Lernen vereinzelt die Kinder, erzeugt eine unnatürliche Konkurrenz und macht sie nervös. Viele Kinder kommen nicht zum Lernerfolg. Die soziale Schere öffnet sich weiter.

Kindgerechter Unterricht

Wir fordern einen stufengerechten Unterricht mit Inhalten und Methoden, die dem Alter der Kinder entsprechen und keine Vorwegnahme naturwissenschaftlicher Themen und Experimente, die eigentlich in die Mittelstufe gehören und den Grundschülern unverständlich bleiben. Auch Präsentationen sind ohne sehr gründliche Vorbereitung durch den Lehrer häufig nur mit Hilfe der Eltern machbar — und nicht alle Eltern haben die Zeit und Möglichkeiten, ihre Kinder zu unter stützen.

Das Abarbeiten von Arbeitsblättern in "Werkstätten", "Stationen" usw. bleibt im Unterschied zum gemeinsamen Erarbeiten in der Klasse seelenlos und leblos. Immer braucht es die tragende Beziehung zum Lehrer, der den Kindern mit Freude und Begeisterung etwas beibringt.

Soziales Lernen

Kinder unterschiedlicher Herkunft sollen zu einer Klassengemeinschaft zusammengeführt werden, in der die sozialen Werte unserer Demokratie gelebt werden.

Ziel muss die Bildung einer Klassengemeinschaft sein, damit gegenseitige Hilfe, Solidarität, friedvolle Konfliktlösung und Chancengleichheit gelernt und möglich werden. Der Lehrer kann im Klassenunterricht Unstimmigkeiten, Konflikte oder Streitigkeiten wahrnehmen und frühzeitig darauf eingehen, um die Kinder zur Lösung auftretender Konflikte anzuleiten.

Selbstgesteuertes Lernen hingegen führt zu Vereinzelung, oft zu Entmutigung und Schwächung des Selbstwertgefühls, was sich häufig auf das Sozialverhalten negativ auswirkt.

Schreiben

Statt von Anfang an den Erstklässlern richtiges Schreiben nach bewährtem Prinzip beizubringen, nämlich unter Berücksichtigung der Buchstaben, des Wortes und des Satzes, durften die Schüler oft bis in die dritte Klasse hinauf nach dem Lautprinzip schreiben. Das heißt, sie schrieben Wörter so, wie sie sie als Lautbild wahrnehmen, z. B. Foiawea (d.h. Feuerwehr). Die vielfach oft falsch eingeprägten Schreibweisen lassen sich häufig nur schwer korrigieren, sodass sich Rechtschreibschwierigkeiten bis in die Oberstufe des Gymnasiums hinziehen. Hinzu kommt eine allgemeine Nachlässigkeit im Umgang mit Sprache, da die Schüler bei ihrer Einführung ins Schreiben gelernt haben, dass "es ja nicht so darauf ankommt".

Wir begrüßen sehr, dass im neuen Lehrplan wieder Wert auf das richtige Schreiben gelegt wird und der Lehrer den Schreiblehrgang an den Beginn des Schreibenlernens stellt. Schreibweisen nach dem Lautprinzip sind zu vermeiden und stets zu korrigieren, damit von Anfang an richtige und nicht falsche Schreibweisen eingeübt werden. Korrekturen der Rechtschreibfehler führen nicht zwangsläufig zu Verringerung der Freude am Schreiben. Hier kann der Lehrer pädagogisch handeln. Die bereits seit einiger Zeit abgeschafften Diktate stellen hierbei eine sinnvolle Übung zur Erlangung der Rechtschreibsicherheit dar.

Lesen

Die Methode der Anlauttabelle und des Lesens durch Schreiben, wie sie seit geraumer Zeit angewandt wird, um die Erstklässler ins Lesen einzuführen, hat sich nicht bewährt. Auch hier ziehen sich bei etlichen Kindern Unsicherheiten in höhere Klassen hinauf. Lesen ist kein rein technischer, sondern ein seelischer Vorgang und es ist durchaus von Belang, was gelesen wird. In den Lehrmitteln ist darauf zu achten, dass die Inhalte der Entwicklungsstufe und dem kindlichen Gemüt entsprechend gewählt werden. Zusätzlich wird das Sprachgefühl geschult. Gemeinsam Geschichten laut zu lesen und vom Lehrer angeleitet in der Klassengemeinschaft darüber zu sprechen, schafft ein vertieftes Verständnis und kann Werthaltungen und Freude am Lesen fördern.

Rechnen

Die Kinder werden heute durch den Rechenunterricht verwirrt und im Stich gelassen. Die Inhalte werden nicht mehr schrittweise eingeführt. Regeln werden kaum gelehrt, stattdessen soll jeder Schüler seinen eigenen Rechenweg finden. Diese kindlichen Kreationen verunmöglichen aber einen logischen Aufbau der Mathematik. Die Übung des Gelernten kommt viel zu kurz. Alle Themen werden nur kurz und mit zu vielen verschiedenen Aufgabentypen behandelt, um dann nach einem Spiralprinzip in einigen Wochen erneut thematisiert zu werden — nur: es wurde kein solides Fundament geschaffen, auf dem die Schüler weiter aufbauen können. Zum Beispiel können die Kinder nicht mehr das Einmaleins auswendig. Somit fehlt ihnen die Rechensicherheit. Durch den fehlenden Erfolg geht die Freude am Rechnen verloren und schwächere Schüler verlieren schnell den Anschluss und den Mut.

Eigentlich ist Rechnen einfach. Wir erwarten einen systematischen, kleinschrittigen Mathematikunterricht, dem alle Kinder folgen können und der alle Kinder zum Erfolg führt.

Frühenglisch

Die Einführung einer Fremdsprache ohne gesicherte muttersprachliche Kenntnisse ist in der Grundschule unnütz. Das unsystematische, sogenannt spielerische Lernen beinhaltet kaum Wortschatz und keinerlei grammatische Strukturen, sodass die Schüler eher verwirrt und überfordert werden. Die Wochenunterrichtsstunden, die für die Fremdsprache aufgewendet werden, gehen zu Lasten anderer Fächer, wie zum Beispiel Deutsch. Gute Kenntnisse der Muttersprache allerdings sind die Basis für jede Fremdsprache. Diese Grundlagen gehören in der Grundschule fundiert gelegt. Der im Frühenglisch — noch dazu von Schule zu Schule höchst unterschiedliche — Lernstand beim Wortschatz lässt sich an den weiterführenden Schulen innerhalb kurzer Zeit erreichen. Eingebettet in grammatische Strukturen und landeskundlich orientierten Lektionen werden die Schüler adäquat und systematisch in die Fremdsprache eingeführt.

Heimat- und Sachunterricht

Kinder können sich nur in unserem Land verwurzeln und eine eigene Identität bilden, wenn sie von ihrem Lehrer Wissen über das Land und die Liebe zur Heimat vermittelt bekommen. Nur so werden sie später für ihre Mitmenschen und die größere Gemeinschaft Verantwortung übernehmen. Sie brauchen auch hier solide Grundlagen durch einen anschaulichen Unterricht, der vom Nahen zum Fernen, vom Bekannten zum Fremden führt: z.B. unsere Straße, meine Gemeinde, der Bezirk, Bayern, Deutschland mit seinen Flüssen, Seen und Bergen, die Tiere und Pflanzen in unserer Umgebung. Welche Freude bereitet es den Kindern, wenn sie das Naheliegende, ihre Heimat kennen und verstehen lernen - gerade in einer Zeit der Veränderungen, der Globalisierung, der Entfremdung.

Gute Schule statt Diagnosen

Wenn Kinder beim Rechnen versagen und nicht richtig schreiben können, sucht man das Problem oft bei den Kindern und verpasst ihnen voreilig eine Diagnose (Legasthenie, Dyskalkulie, ADHS usw.). Oft fehlt den Kindern einfach ein geführter Unterricht mit sorgfältiger Anleitung und vielfältiger Übung. Vorhandene Lernprobleme bei den Kindern müssen von Lehrern und Eltern gemeinsam pädagogisch und erzieherisch gelöst werden!
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